Europäische Tage des Denkmals

Die A1 einst... die Schlüsselrolle von Burgdorf im spätmittelalterlichen Handelsverkehr

Mit dem alten Stalden, der Inneren Wynigenbrücke mit dem Stundenstein, dem gesamtschweizerisch einmaligen denkmalpflegerischen Ensemble von Siechenhaus und Siechenkapelle, dem äusseren Sommerhaus sowie dem eindrücklichen Sandsteinhohlweg am Leuen verfügt Burgdorf auf engstem Raum über ein breites Spektrum an noch sichtbaren und ausgezeichnet erhaltenen verkehrshistorischen Zeugen unterschiedlicher Zeitepochen. Im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals folgen wir, geführt von Hanspeter Schneider und Daniel Moeri von der Stiftung ViaStoria, diesen spannenden Zeugen der Verkehrsgeschichte.

Innere Wynigenbrücke

Unsere Wanderung beginnt bei der sogenannten Inneren Wynigenbrücke, die früher zusammen mit der Äusseren Wynigenbrücke eines der schönsten Holzbrückenensembles der Schweiz bildete. Letztere wurde leider 1961 abgebrochen. Doch auch als Einzelbauwerk bildet die spätbarocke Holzbrücke immer noch ein prägendes Wahrzeichen der Stadt Burgdorf. Zusammen mit dem beim Brückenausgang stadtwärts stehenden Stundenstein («V Stunden von Bern») lässt die alte Holzbrücke einen Hauch der ehemals bedeutenden Verkehrsgeschichte Burgdorfs erahnen.

Brücken haben im wahrsten Sinne des Wortes eine zentrale vernetzende Funktion in der Verkehrsgeschichte. So war der Brückenübergang an der Emme schon eine Schlüsselstelle im Verkehrsnetz der Zähringer-Gründungen von Freiburg, Bern, Burgdorf und Huttwil. Ab dem 14. Jahrhundert entwickelte sich die Verkehrsachse über Burgdorf zu einer wichtigen europäischen Handelsroute. So verkehrten Handelsreisende aus den damals führenden europäischen Wirtschaftszentren in Frankreich im Westen und den süddeutschen Städten von Frankfurt, Speyer, Worms, Nördlingen und Nürnberg im Osten auf den Burgdorfer Strassen. Ein wichtiger Verkehrsfaktor für diese west-östliche Hauptverbindung bildete im Mittelland aber auch der Warenaustausch zwischen den bedeutenden Messen von Genf und Zurzach.  

Es ist wie die Ironie des Schicksals, dass die heute noch erhaltende Holzbrücke mit der Jahrzahl 1776 nicht etwa den Höhepunkt dieser Verkehrsepoche von Burgdorf symbolisiert, sondern den Anfang des Niedergangs. Am 24. Mai 1756 hatte nämlich die bernische Obrigkeit – gestützt auf ein Gutachten der damals für den Strassenbau zuständigen Zollkammer – entschieden, das künftige Prunkstück des bernischen Strassenbaus, die sogenannte «Neue Aargau Strasse», ab Hindelbank nicht über Burgdorf, sondern über Kirchberg bauen zu lassen. Dieser Entscheid war gleichbedeutend mit dem Ende der
«europäischen» Verkehrsgeschichte in Burgdorf.

Siechenhaus und Siechenkapelle

Nach der Überquerung über der heutigen Betonbrücke folgen wir dem Weg – wie in historischer Zeit – hart den Gysnauflühen entlang, wo früher herabstürzende Felsbrocken häufig ein gefürchtetes Hindernis bildeten. Unmittelbar anschliessend öffnet sich der Blick auf die aussergewöhnliche Anlage von Siechenhaus und Siechenkapelle. Während ein Siechenhaus gemäss Quellen bereits im Jahre 1316 erwähnt wird, dürfte der gut erhaltene heutige Baukörper gemäss Datierungen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern voraussichtlich anfangs des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Selbstverständlich nicht zufällig gewählt war die Lage des Siechenhauses: zum einen war die Lage ausserhalb der Siedlung durch die Ansteckungsgefahr vorgegeben, andererseits war die Orientierung des Siechenhauses an die wichtigste Ausfallstrasse mit dem Bettelrecht gekoppelt, das die Aussätzigen seit dem Frühmittelalter besassen. So konnten die Reisenden den «Siechen» bei einem aufgestellten Opferstock oberhalb des Siechenhauses Spenden und Almosen zukommen lassen.

Leuenhohle

Nach dem Besuch des Siechenhauses begeben wir uns in Richtung Äusseres
Sommerhaus zur sogenannten «Leuenhohle». Dieser äusserst spektakuläre Hohlweg der ehemaligen Hauptstrasse von Bern nach Luzern fand sowohl in der Kunst als auch in der Literatur ihren Niederschlag. So wurde die Leuenhohle etwa zum Handlungsschauplatz in Gotthelfs «Eine alte Geschichte zu neuer Erbauung».

(Text von Hanspeter Schneider, ViaStoria)

Führung

Samstag, 07.09.2024, 14.00 – 16.00Uhr

Treffpunkt:
Wynigenbrücke, Wynigenstrasse, 3400 Burgdorf
Ab Burgdorf Bahnhof ca. 10 Min. Fussweg Richtung Wynigen oder Bus 463 Richtung «Gyrischachen» bis «Schützenhaus»

Eine Veranstaltung der Regionalgruppe Burgdorf Emmental im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals. In Zusammenarbeit mit ViaStoria.

 

Leiter Exkursion

Hanspeter Schneider
1983-2003 Leiter des Inventars historischer Verkehrswege der Schweiz IVS, 2004 – 2014 Geschäftsführer von ViaStoria, ab 2007 Präsident der ViaStoria-Stiftung.
Die ViaStoria-Stiftung setzt sich für die Erhaltung und Erforschung der historischen Verkehrswege ein. Sie gibt die Zeitschrift Wege und Geschichte sowie regelmässig Publikationen zur Forschung und touristischen Nutzung von historischen Verkehrswegen heraus. Der ViaStoria-Förderverein unterstützt die Aktivitäten der ViaStoria-Stiftung und führt Veranstaltungen und Exkursionen zum Thema durch.

Daniel Moeri
Inhaber des Büros Moeri&Partner, das unter anderem zuständig ist für ViaStoria-Beratungen im Kanton Bern.