Versammlung

Hauptversammlung Berner Heimatschutz Region Interlaken Oberhasli und Besichtigung Schattenhalb 2

Samstag, 15. Juni 2024 in der Privatklinik Meiringen, Willigen/Schattenhalb

Der Präsident, Peter Oeschger, Ringgenberg, begrüsste die anwesenden Vereinsmitglieder, die Vertreter der Gemeinderäte Schattenhalb, Meiringen, Interlaken sowie Grossrat Andreas Michel als Gastgeber und Andreas Fuchs, Präsident der Partnerorganisation UTB zur diesjährigen Hauptversammlung. Die statutarischen Traktanden gaben zu keiner Diskussion Anlass und wurden einstimmig gutgeheissen.

Im laufenden Jahr finden noch zwei Anlässe des Berner Heimatschutz Region Interlaken Oberhasli statt: Der zweite Teil des Schindelkurses vom 15. Juli bis 10. August und der Leitung von Kaspar Winterberger. In der Gschwandtenmad im Reichenbachtal wird ein Stall neu eingedeckt. Anmeldungen sind noch möglich. Aus Anlass des Europäischen Tag des Denkmals 2024 zum Thema «Vernetzt» wird Samstag, 7. September 2024 im Hotel Rosenlaui an den alten Säumerweg von Grindelwald über die Grosse Scheidegg nach Meiringen und weiter bis nach Oberitalien erinnert (mehr Infos). Vor dem Bau der Gotthardbahn nutzte die Vieh- und Milchwirtschaft der Lütschinentäler diese Route, um ihre Produkte nach Italien zu exportieren.

Der Berner Heimatschutz setzt sich derzeit intensiv mit der Energiewende auseinander, insbesondere mit dem damit verbundenen Solarexpress, welcher im Grundsatz unterstützt wird. Solaranlagen auf Dächern, Fassaden, Stützmauern, Bahntrassen etc. müssen jedoch sorgfältig geplant werden und sollen das Orts-, Siedlungs- und Landschaftsbild so wenig wie möglich beeinträchtigen. Die Bauberatung bietet diesbezügliche Unterstützung und Fachkompetenz an. In der Region Interlaken Oberhasli sind zudem ein paar alpine Solargrossanlagen geplant. Sie werden das Landschaftsbild in den entsprechenden Regionen massgeblich verändern. Der Berner Heimatschutz wird die Grossprojekte nach den folgenden Kriterien beurteilen: Besteht eine Vorbelastung durch Zufahrtsstrassen, Lawinenverbauungen, Bahnen und Bahninfrastrukturen, Freileitungen zur Stromversorgung etc.? Wie ist die Einsehbarkeit vom Talboden, vom Gegenhang, von Wanderwegen aus und wie hoch ist der Grad der Einsehbarkeit? Wie intensiv verändert sich das Landschaftsbild durch die Neubauten und Stromtrassen und findet ein Ersteingriff in die naturnahe Landschaft, in das Erholungsgebiet statt? Ist der Rückbau in 25 – 30 Jahren finanziell abgesichert? Sind Ersatzmassnahmen vorgesehen?

Der Berner Heimatschutz stellt mit Sorge politische Angriffe auf die Kompetenzen der Denkmalpflege und das eigene Verbandsbeschwerderecht fest. 29 Natur- und Heimatschutzorganisation haben heute die Berechtigung, gegen Bauprojekte Beschwerde einzureichen. Die Parlamentarische Initiative von Nationalrat Matthias Bregy VS verlangt, dass kleinere Wohnbauten bis 400m2 Nutzfläche künftig nicht mehr von Natur- und Heimatschutz durch Einsprachen und Beschwerden gebremst werden können. Die Initiative wurde vom Nationalrat deutlich angenommen und geht in den Ständerat. Sollte diese Initiative dereinst umgesetzt werden, wird die Bauberatung des Berner Heimatschutz den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit einstellen müssen.

Der Grosse Rat des Kantons Bern hat eine Motion «Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren im Zusammenhang mit Baudenkmälern» von Grossrat Patrick Freudiger, SVP, Langenthal, grossmehrheitlich an den Regierungsrat überwiesen. Die Motion verlangt, der kantonalen Denkmalpflege stehe künftig gegen Bauentscheide nur noch in einem gesetzlich zu definierenden Katalog von besonders schützenswerten Baudenkmälern ein Beschwerderecht zu. Insbesondere bei Bauvorhaben im Zusammenhang mit erhaltenswerten Objekten bestehe für die kantonale Denkmalpflege kein Beschwerderecht mehr.

Die Aufgabenteilung zwischen kantonaler Denkmalpflege und Berner Heimatschutz sieht aktuell vor, dass sich die Denkmalpflege um die schützenswerten Bauten und den erhaltenswerten Baubestand, der innerhalb einer Baugruppe des Bauinventars oder in einem Ortsbildschutzgebiet liegt, kümmert. Alle weiteren erhaltenswerten Bauten fallen in den Zuständigkeitsbereich des Berner Heimatschutzes. Sollte die Motion umgesetzt werden, wäre die kantonale Denkmalpflege in ihrem Handlungsspielraum ganz massiv eingeschränkt. Der Berner Heimatschutz diskutiert und prüft derzeit, welche Massnahmen zu ergreifen sind.

Besichtigung Schattenhalb 2

Am Nachmittag hatten Interessierte die seltene Gelegenheit, im oberhalb der Privatklinik Meiringen liegenden Kraftwerk Schattenhalb 2 Einblick in die Produktionsweise von Strom wie vor 100 Jahren zu erhalten. In wenigen Minuten hatte die Gruppe mit der Reichenbachfall-Bahn, in Betrieb seit 1899, den Reichenbachfall auf 844 m ü. M. erreicht. Jetzt wieder ein paar Schritte den neu angelegten Waldweg hinunter und die Führung durch die historische Hochdruckanlage konnte beginnen. Simon Weiss, Bauberater des BHS Region Interlaken Oberhasli und Präsident der Stiftung Kraft & Wasser machte zuerst einen geschichtlichen Rückblick. Das Kraftwerk Schattenhalb 2 von 1926 war die obere Stufe einer der frühen Hochdruckanlagen, die bereits um die Jahrhundertwende durch den ortsansässigen Hotelier und Ingenieur Elias Flotron und den innerschweizer Hotelkönig Franz Josef Bucher initiiert wurde. Über Jahrzehnte wurde dann die zweistufige Anlage, das regionale Verteilnetz und eine Karbidfabrik als Elektrowerke Reichenbach durch die Familie Frey betrieben. Heute betreibt die BKW die modernen Kraftwerke Schattenhalb 1 und 3, während Kraftwerk Schattenhalb 2 seit 2010 ausser Betrieb steht. Die Zentrale ist in wesentlichen Teilen im Originalzustand erhalten und mit zwei Maschinengruppen ausgestattet.

Simon Weiss erklärte, dass der Berner Heimatschutz 2016 durch die Gründung einer Stiftung und die Übernahme für einen symbolischen Franken das inzwischen als schützenswert eingestufte Kraftwerk vor dem Abbruch retten konnte. Geplant war und ist, das Gebäude zu restaurieren, die technische Ausstattung betriebsfähig herzurichten und die Anlage als technisch-historisches Ensemble der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch soll durch eine eingeschränkte Stromproduktion an Tagen mit sehr hohem Wasserdargebot im Reichenbach die Finanzierung des kostspieligen Museumsprojektes nachhaltig verbessert werden.
Elektroingenieur Fritz Uhlmann – er leitet das Elektra-Museum in Burgdorf – ergänzte im Turbinenraum viel technisches Wissen zu den historischen Einrichtungen, zur Entstehung des Stroms überhaupt, welche Sicherheitsmassnahmen für den Betrieb einer historischen Hochdruckanlage es braucht und vieles mehr.
Interessant auch, dass im Kraftwerk für die Steuerung und Überwachung des Betriebes bis in die Achtzigerjahre immer jemand anwesend sein musste. Deshalb ist im Gebäude – direkt über dem Werk – auch eine Maschinistenwohnung untergebracht, die zukünftig auch dem Besucher zugänglich sein wird.


Text: Peter Oeschger und Edith Biedermann