Spalten heisst im Lateinischen «scindere», wovon sich «scindula», die Schindel ableitet. So alt wie der Ursprung des Namens ist das Handwerk, seit Jahrtausenden wurden Häuser im Alpenraum mit Holzschindeln gedeckt. Doch heute ist das alte Handwerk selten geworden. Blech und Eternit haben die Schindeln auf den Dächern ersetzt. An einigen Orten jedoch, beispielsweise im Berner Oberland, in der Region Grindelwald – Grosse Scheidegg – Reichenbachtal bestand es punktuell ungebrochen weiter. Es ist daher kein Zufall, dass der Schindelkurs des BHS im Haslital stattfand. Damit sollte die Tradition gepflegt, gefördert und das überlieferte Wissen an Interessierte weitergegeben werden.
Es duftete angenehm harzig in der Werkstatt. «Lässt sich das Fichtenholz gut spalten?», diese Frage bewegte, als die Kursteilnehmende den prächtigen frisch gefällten Stamm von 5,7 Meter Länge begutachteten. «Feinjährig, gerade, also kein Drehwuchs, mit wenig Ästen», so die Kriterien für gutes Schindelholz. Zuerst musste die Rinde mit Hilfe eines «Schinteisens» vom Stamm weg. Dann, es wurde nun kurz lärmig, trennte die Kettensäge mühelos ein 50 Zentimeter langes «Trämel»-Stück vom Stamm ab. Dieser «Rugel» musste anschliessend von Hand, mit Holzhammer und Hartholzkeilen, in «Miiselli», grobe, dreikantige Spälten, zerteilt werden. Der Spalttest folgte und war erst im zweiten Anlauf erfolgreich.
Die kleine Gruppe nahm nun das Herstellen der Schindeln von Hand in Angriff, angeleitet von Winterbergers erfahrenem Mitarbeiter Rolf Anderegg. Für jeden stand ein für den Kurs eigens gezimmerter Arbeitsplatz zur Verfügung. Von den «Miiselli» wurden nun 12 bis 15 Millimeter dünne Schindeln abgespalten. Der Kursleiter erklärte und zeigte vor: «Dafür stellt ihr das Holzstück hochkant auf, setzt das Schindeleisen rechtwinklig zu den Jahrringen an und schlägt mit dem «Bleuel», einem Hammer aus Holz, auf die Oberkante des Eisens. Sitzt das Werkzeug im Holz, stellt ihr das Holz schräg und drückt auf den Griff des Schindeleisen, bis die Schindel entlang der Holzfasern abspaltet. Die Schindeln werden durch diese Methode gleichmässig dick.» Wenn nötig, glätteten noch ein paar gezielte Schläge mit dem Beil unebene Stellen. «Es lohnt sich, genau zu arbeiten, denn je regelmässiger die Schindeln hergestellt werden, desto schneller geht es später beim Dachdecken vorwärts», so die weitere Anweisung. Man arbeitete konzentriert, mit der Übung ging es immer leichter. Und die Palette mit Schindeln, luftig mit Lagerhölzern aufgebeigt, wuchs langsam in die Höhe.
Mit diesen selber von Hand hergestellten Schindeln soll im Sommer, im zweiten Teil des Kurses, ein Stalldach mit einer Fläche von zirka 270 Quadratmetern eingedeckt werden. Dafür werden an die 30 Kubik Schindeln benötigt. Bis es also so weit ist, braucht es noch unzählige Handgriffe und viel Holz. Grob überschlagen schafft eine Person einen Fichtenstamm pro Woche. Dies resultiert in 1 bis 1.5 Kubik Schindeln. Für das Dach im Gschwandtenmad müssen also mehr als 20 Fichtenstämme, was etwa zwei Lastwagenfudern entspricht, entrindet, aufgesägt und gespalten werden. Dazu haben die Kursteilnehmende im ersten Teil des Schindelkurses einen guten Teil beigetragen. Sie erhielten so auch einen Eindruck über den zeitlichen Aufwand beim Schindelmachen. Was wiederum erklärt, warum Schindeldächer so kostspielig sind.
Die meisten Teilnehmenden werden im Sommer wieder mit dabei sein, um das Stalldach im Gschwandtenmad einzudecken. Dann werden sie lernen, dass der «Dachfuss» (Traufe) mit vier Lagen Schindeln beginnt, dass am «Ortgang» (seitliche Dachkante) keilförmige, halbe Schindeln eingesetzt und die Firstschindeln passend zur Windrichtung ausgerichtet werden. Die Hauptarbeit wird aber das Verlegen der unzähligen Holzschindeln sein, das Eindecken des Schindeldaches. Denn dafür werden die Holzschindeln Reihe für Reihe, überlappend und zueinander versetzt, sorgfältig und mit Augenmass auf den Dachlatten mit Hammer und Nagel befestigt. Auf die spannende Arbeit auf dem Dach darf man sich jetzt schon freuen.
Von Edith Biedermann
Die Aktion Schindeldach des Berner Heimatschutzes wurde 1986, vor 35 Jahren ins Leben gerufen. Sie vermittelte bis dato rund 2000 Gesuche. Die Aktion sollte ganz im Sinn des Erhalts der Schindeldächer, laufend in Erinnerung gerufen werden.
Kontakt und Auskunft: Berner Heimatschutz, Geschäftsstelle, 031 331 38 86, info(at)bernerheimatschutz.ch
Informationen zu Schindeldächern und Formulare für Beitragsgesuche finden Sie hier.