Die stark renovationsbedürftige alte Munitionsfabrik im Perimeter der heutigen RUAG ist Teil einer markanten und qualitätsvollen Bebauung entlang der Uttigenstrasse mit zahlreichen ehemaligen Produktionsstätten des früheren Armeebetriebs. Das erhaltenswerte Gebäude ist im kantonalen Bauinventar und im Bundesinventar der geschützten Ortsbilder der Schweiz ISOS verzeichnet.
Die Eigentümerin wollte das Gebäude ohne konkrete Bauabsichten abreissen, um darauf vorläufig einen Installations- und Lagerplatz für zukünftige Bauprojekte und einen Parkplatz zu errichten. Der Berner Heimatschutz erhob dagegen Einsprache mit der Begründung, der Abbruch der geschützten alten Fabrik quasi auf Vorrat sei unzulässig. Der Abbruch stehe zudem in offensichtlichem Widerspruch zum kommunalen Richtplan ESP Thun Nord, der im Perimeter der Uttigenstrasse eine Entwicklung des Areals unter Einbezug der bestehenden Bausubstanz vorsieht.
In der unmittelbaren Umgebung der bedrohten Liegenschaft wurden zahlreiche geschützte und nicht inventarisierte Gebäude inzwischen saniert, umgenutzt und erfolgreich vermarktet. Die Uttigenstrasse wurde sorgfältig begrünt und umgestaltet und als Langsamverkehrsachse ausgebaut. Es ist für den Berner Heimatschutz klar, dass diese erfolgreiche Transformation eines alten Industrieareals weitergeführt werden muss und kann, unter Einbezug der vom Abbruch bedrohten Munitionsfabrik.
Der Widerstand hat sich gelohnt. An der Einspracheverhandlung mit allen Beteiligten im Dezember 2022 konnte mit grosser Freude zur Kenntnis genommen werden, dass die RUAG auf den Abbruch verzichtet. Das Abbruchgesuch wurde inzwischen zurückgezogen. Die Bauherrin will eine neue Planung in Angriff nehmen, die das prägende und identitätsstiftende Gebäude in einer sich positiv entwickelnden Umgebung erhält und baulich weiterentwickelt. Als Vergleich für eine erfolgreiche Transformation eines ehemaligen Industrieareals kann auf das ehemalige Maggi-Areal in Kemptthal verwiesen werden.
Von Luc Mentha
«Der Abriss-Atlas soll einerseits die Dimensionen des Abriss in der Schweiz fassbar machen, andererseits die Einzelgeschichten der verschwundenen Häuser erzählen.»