Baukultur – Klima – Artenvielfalt. Der Berner Heimatschutz Region Interlaken-Oberhasli lud am 4. Mai zum Schoggitaler-Anlass ein, der in Schwanden und Brienz Einblick in diese drei Themenkreise gab. Präsident Peter Oeschger begrüsste eine erfreulich grosse Zahl von Interessierten bei einem Dörrofen in Schwanden. In der Gemeinde am Fuss des Brienzer Rothorns sind fünfzehn Dörröfen erhalten. Es sind kleine Häuser, etwas abseits von den Wohnhäusern, mit verputztem Bruchsteinsockel und Satteldach. Sie waren zuerst mit Schindeln gedeckt, später aber – auch wegen der Brandgefahr – nahm man Ziegel. Die Dörröfen sind als Feldöfen in der Liste der Kulturgüter der Gemeinde eingetragen. Der älteste Ofen stammt aus dem 18., die meisten aus dem 19. Jahrhundert. Bauberater Rudolf Schild, der sich vor rund zwanzig Jahren bei der Restaurierung von sieben dieser Häuschen engagiert und Beiträge aus dem Lotteriefonds vermittelt hat, erklärte ihre Funktionsweise und stellte sie in den Kontext mit der Geschichte der Gemeinde.
Das Dörrgut – hauptsächlich Birnen und Äpfel, aber auch andere Früchte und Nüsse – wurde auf Steinplatten gelegt. Die Birnen liess man ganz, die Äpfel schnitt man in Schnitze. Die Dörröfen haben ein Einschiessloch, über dem sich Öffnungen für den Rauchabzug befinden. Diese Lüftungskanäle lassen sich mit Ziegeln schliessen und öffnen, so dass die Temperatur geregelt werden konnte. Eingeheizt wurde mit Buchenholz. Die Glut wurde danach so verschoben, dass die halbrunde Steindecke des Ofens sich gleichmässig weiss färbte. Dann wurde mit dem Ziehholz, einem Holzbrett mit Stiel, Glut, Kohle und Asche aus dem Ofen entfernt. Nachdem er mit Lappen an einer Stange gereinigt worden war, wurde das Dörrgut „eingeschossen“. Am ersten Tag wurden die Früchte überbraten, am zweiten liess man sie aus- und abdörren. Das Dörrgut wurde in Stoffsäcken in eine Holzkiste gelegt und in einem durchlüfteten Estrich oder einer Laube für den Winter aufbewahrt.
Die Gemeinde Schwanden, die aus Glyssen, Unterschwanden und Oberschwanden besteht, war arm. Es gab Hungersnöte und Auswanderungen, bevor der Tourismus und das Holzschnitzen ein Zusatzeinkommen brachte. Drei Wildbäche, der Glyssibach, der Schwander Bach und der Lammbach, machten der Bevölkerung das Leben mit Überschwemmungen und Übersarungen zusätzlich schwer. Heute ist der Dörrofen in Oberschwanden, bei dem sich die Teilnehmenden trafen, für die Gemeinde ein Treffpunkt zum gemeinsamen Backen von Brot, Zopf oder Kuchen. Hochstamm-Obstbäume gibt es nur noch wenige, Vollzeitlandwirte nur noch zwei. Die Regionalgruppe übergab einen Anerkennungspreis an Walter Flück, der mit seinem Bruder Peter bei der Sanierung eines Dörrofens mitgearbeitet hat und als Familienangehöriger kein Anrecht auf einen Beitrag hatte.
Von der erhöht stehenden Kirche Brienz lässt sich die Dächerlandschaft im westlichen Dorfteil von Brienz gut überblicken. Heinrich Sauter, Leiter der regionalen Bauberatung, konnte eine stattliche Anzahl Dächer zeigen, auf denen mit einer Fotovoltaik-Anlage ein Beitrag zur Energiewende geleistet wird. Aus Heimatschutzsicht vielleicht nicht immer ganz geglückt. Es gab aber auch uneingeschränktes Lob, zum Beispiel für das Dach der Schule für Holzbildhauerei. Zum Thema Baukultur stellte Rudolf Schild Trockenmauern vor, die zwischen 2005 und 2012 in Brienz saniert oder neu erstellt wurden. Die Wanderung ging zu denen im Chilchacher, wo sie einen historischen Verkehrsweg säumen, der auch zum Holztransport genützt wurde und Teil eines Pilgerwegs ist. Saniert oder neu errichtet wurden Trockenmauern am Schwandergässli, das Teil des einstigen Säumerwegs zwischen Brienz und dem Brünigpass ist.
Und dann gab es am Anlass doch noch Hochstamm-Obstbäume. Wie in Schwanden war auch in Brienz einst Obst eine wichtige Nahrungsquelle, und wie in Schwanden sind Hochstamm-Obstbäume auch in Brienz nicht mehr oft anzutreffen. Wie eine Oase in der Neubau- und Graslandschaft wirkt deshalb der Obstgarten von Ruedi Huggler am „Louwelli“. Der Name sagt es bereits: es ist kein reichhaltiger Boden, auf dem der Ingenieur den Obstgarten pflegt und weiterentwickelt, den sein Grossvater, der Holzbildhauer Hans Huggler-Wyss, angelegt hat. Der nahe Trachtbach hat dort in Jahrhunderten Schutt abgelagert. Dafür ist das Klima in der leichten Hanglage aber mild und sonnig, so dass rund fünfzig Obstbäume, sorgfältig ausgewählt, gepflegt und wenn nötig eingehegt, hier wachsen. Auf einer Wiese mit vielen Blüten, die Nahrung bieten für Insekten und damit auch für Vögel. Ein kleines, allerdings arbeitsintensives Paradies über dem Brienzersee, das zum Ausklang des Anlasses besucht werden durfte.
Von Anne-Marie Günter, Goldswil